Veröffentlicht am 3. Februar 2025

Staatspolitische Verantwortung statt Abstimmung mit Rechtsextremen

Meinungsbeitrag

Wir haben uns gefragt, was Walter Lübcke sagen würde. Als überzeugter Christ und engagierter Demokrat.

Doch wir können ihn nicht fragen. Er ist von einem rechtsextremen AfD-Sympathisanten ermordet worden. Dafür hat sich in der letzten Woche eine andere renommierte Stimme aus der CDU zu Wort gemeldet: Bundeskanzlerin a. d. Angela Merkel. Mit scharfer Kritik an Friedrich Merz. Sein Vorgehen sei falsch, weder staatsmännisch noch redlich.

Merz habe noch im November zugesichert, keine Mehrheiten im Parlament herbeiführen zu wollen, die nur mit der AfD zustande kommen. „Dieser Vorschlag und die mit ihm verbundene Haltung waren Ausdruck großer staatspolitischer Verantwortung „, erklärt Merkel: „Für falsch halte ich es, sich nicht mehr an diesen Vorschlag gebunden zu fühlen und sehenden Auges erstmalig bei einer Abstimmung im Deutschen Bundestag eine Mehrheit mit den Stimmen der AfD zu ermöglichen.“ Direkt nach der Feierstunde zum 80. Jahrestag der Befreiung des Konzentrationslagers Auschwitz.

Es sei stattdessen erforderlich, dass die demokratischen Parteien gemeinsam „über parteipolitische Grenzen hinweg, nicht als taktische Manöver, sondern in der Sache redlich, im Ton maßvoll und auf der Grundlage geltenden europäischen Rechts“ handelten.

Der ehemaligen Bundeskanzlerin haben wir nichts hinzuzufügen.

„Die Scham, die ich als Bürger und Jude empfinde bei der Vorstellung, dass Margot Friedländer, Roman Schwarzman und die wenigen noch verbliebenden der Schoah im Fernsehen mit ansehen mussten, wie Nazis im Deutschen Bundestag triumphierend, lachend und Selfies-schießend vor Glück kaum laufen konnten, ist brutal“, sagt Star-Pianist Igor Levit über die Abstimmung im Bundestag. Der 99jährige Auschwitz-Überlebende Albrecht Weinberg will sein Bundesverdienstkreuz zurückgegeben. Publizist und Politiker Michel Friedmann ist nach mehr als 40 Jahren Mitgliedschaft aus der CDU ausgetreten.

Friedrich Merz hat bei der Abstimmung auf Kompromisslosigkeit („Kompromisse kann es hier nicht geben“) gegenüber anderen Demokraten gesetzt. Und stattdessen auf Zustimmung der AfD. Doch der Schlüssel der Demokratie ist der Kompromiss. Kein Kanzler kann unser Land ohne Kompromisse verantwortungsvoll führen. Die Kunst des Kompromisses, Gegensätze zu moderieren, Koalitionspolitik zu gestalten und selbstbewusst und verständlich nach außen darzustellen, muss im Kanzleramt beherrscht werden.  Das sind die Anforderungen an einen künftigen Bundeskanzler.

Michel Friedmann ist am Sonntag mit mehr als 160.000 Bürger*innen in Berlin auf die Straße gegangen. Um gegen die Entscheidung der CDU-Bundestagsfraktion zu protestieren. Auch in Kassel demonstrierten Tausende. Wichtig finden wir in diesem Zusammenhang auf ein Statement Friedmanns hinzuweisen. „Ich warne davor, sich jetzt auf die CDU zu fokussieren. Die CDU ist eine demokratische Partei, trotz des fundamentalen Fehlers. Die AfD ist eine antidemokratische Partei.“

 

[Meinungsbeitrag unseres Vereinsvorstands].